Rezension in: Restauro 4/ 2004; Literatur für Restauratoren

Marie Teutonico, Gaetano Palumbo (Hrsg.): Management Planning for Archaeological Sites, Symposium Proceedings, Getty Conservation Institute, Los Angeles 2003, zahlr. Schwarz-Weiß-Abb., 158 S.

Im ersten Teil, den Background Papers, gibt der Tagungsband Einblick in die dringende Notwendigkeit der ökonomischen, politischen und konservatorischen Professionalisierung des Grabungswesens. Im zweiten Teil wird das Dilemma der gesamten Problematik paradigmatisch anhand diverser Grabungsstätten erörtert und vertieft. Nach Vorwort und schlüssiger Einführung äußert sich Gaetano Palumbo zur Gefährdung archäologischer Stätten im Mittelmeerraum. Seiner These folgend, dass Gefahren nicht immer eliminiert, aber zumindest durch ein gutes Management minimiert werden können, führt Palumbo die wichtigsten durch den Menschen initiierten, negativen Einflüsse auf und verdeutlicht sie plastisch und drastisch am Praxisbeispiel. Der Artikel, gepackt mit Details und komplexen Hintergrundinformationen, hat darüber hinaus echten Unterhaltungswert. Palumbo argumentiert sarkastisch und pointiert, ohne dabei an Seriosität einzubüßen. Er verzichtet auf zähe Enumerationen und erdet seine Ausführungen im Verweis auf die aktuellste Fachliteratur.
Im nächsten Beitrag versuchen Erika Avrami und Randall Mason, den intersubjektiven Wert eines Kulturguts zu bestimmen und den Einfluss dieses Wertes auf die Planung der Konservierung zu quantifizieren. Unter der Prämisse: Wir wollen nicht nur die physische Substanz, sondern auch die immaterielle Bedeutung des Kulturguts erhalten, wird der Begriff Wert definiert. Diese definitorische Annäherung an das Wesenhafte der Objekte soll nicht nur Investoren überzeugen, sondern neben einer ausführlich-analytischen Dokumentation auch die Basis für den Prozess der Planung eines effektiven Managements bilden. Ohne zu trivialisieren, gelingt es den beiden Autoren, die erhobene Forderung, wissenschaftliches Erkenntnisinteresse mit öffentlichkeitswirksamen Vermarktungsstrategien zu koppeln, im Text einzulösen. Um zu verhindern, dass die Konservierung innerhalb des sozialen, politischen und ökonomischen Kontexts eine geringere Priorität einnimmt, heben beide Autoren die Bedeutung der Konservierung hervor und beklagen, dass wichtige Entscheidungen viel zu oft allein von Architekten und Archäologen getroffen werden. Sie appellieren an die Restauratoren, sich intensiver an Planungsprozessen und Entscheidungen zu beteiligen, da sie mittlerweile sowohl über genügend Erfahrungen, als auch über professionelles Know How in Fragen der wissenschaftlichen Methodik und technischen Möglichkeiten verfügen. Avrami und Mason postulieren: Wir Restauratoren müssen selbst entscheiden, ob wir hierbei eine Führungsrolle übernehmen wollen. Dieser Aufruf zu mehr beruflicher Courage wird dahingehend relativiert, dass die Autoren kritisch, aber vollkommen zu Recht anmerken, dass Restauratoren lernen müssen, ihr fachliches Anliegen besser zu artikulieren, wenn sie auf Planungsprozesse mehr Einfuß ausüben wollen.
Daran anknüpfend kommt Martha Demas in ihrem Aufsatz »Konservierungsplanung und Management archäologischer Stätten« zur Realisierbarkeit ethischer Entwürfe. Sie stellt das Basismodell für einen Planungsprozess vor, das auf alle Typen kulturellen Erbes übertragbar ist. Dieses wertorientierte Basismodell fußt auf den Prinzipien der Burra Charter der ICOMOS (Australien) und wird seit über 20 Jahren erfolgreich angewandt. Schlussfolgernd hebt Demas die Bedeutung der Restauratoren hervor, da sich ihr Berufsstand seit den 1980er Jahren unter der Maxime der Restaurierungsethik in dieselbe Richtung entwickelt, wie die wertorientierte Methode zur Planung des Managements archäologischer Stätten. Martha Demas konfrontiert mit einer Fülle von Information, Diskursen und Analysen. Dem Leser droht hierbei, angesichts ihres akademischen Übereifers, der Faden verloren zu gehen, bis sie zum Ende ihrer Ausführungen das Ziel ihres Ansinnens anhand einer fiktiven Beispielgrabung einleuchtend und praxisnah verdeutlicht.
Im zweiten Teil folgen nach kurzer Einleitung fünf Fallstudien, in denen dargelegt wird, wie sich die Planung des Managements entwickelt hat. In den ersten beiden Fallstudien geht es um Erfahrungen auf Stätten außerhalb der Mittelmeerregion: Die Hadriansmauer in Großbritannien und Chan- Chan in Peru. Die zweite Gruppe der Fallstudien behandelt drei große Stätten des Weltkulturerbes im östlichen Mittelmeerraum: Masada (Israel), Petra (Jordanien) und Corinth (Griechenland); drei sehr komplexe Grabungen, die nach modern modifizierten Planungskonzepten schreien, um dem Tourismusdruck, der Konservierung, der Finanzierung und vieler anderer Probleme Herr zu werden. (Der an dieser Stelle gelöschte Abschnitt bezog sich allein auf den Vortrag von Guy Sanders über Corinth.) Die einzelnen Kapitel umfassen die geschichtliche Propädeutik und Vita der Grabung, Konservatorische und Restauratorische Maßnahmen, die Bedeutung und Werte der Stätte, die Entwicklung der Management Planung mit aktuellem Situationsbericht, als auch bilanzierende Schlussfolgerungen und antizipierende Lösungsvorschläge zur Optimierung struktureller Planungsprozesse, in denen sich die Autoren kritisch mit Fehlplanungen, Altrestaurierungen und dem Erfolg gegenwärtiger Planungsprozesse auseinandersetzen. Die Vorträge und Präsentationen sind durch die Bank provokativ und geben viel Stoff für Diskussionen zu den aktuellen Management Planungskonzepten und deren Anwendbarkeit in Ländern des östlichen Mittelmeerraumes; dazu, welche Defizite es zu egalisieren gilt und welche Hürden auch und gerade der Bürokratie noch zu nehmen sind. Die wichtigsten Ideen, Strategien und Vorschläge für zukunftsweisende Richtlinien, die aus den abschließenden Diskussionen der Tagung hervorgegangen sind, werden in einem Kapitel zusammengefasst. Eine Liste der Symposiumsteilnehmer und Kurzbiographien der Autoren runden den sehr guten Gesamteindruck ebenso ab, wie die sinnig platzierten und aussagekräftigen Abbildungen, die pointiert die Intentionen der Autoren unterstreichen.
Das Buch ist informativ, facettenreich und so anregend, dass die abschließende, ebenso ausführliche wie gut kommentierte Bibliographie von Martha Demas, zu weiteren Recherchen ermutigt. Ermutigend ist auch der Tatbestand der Diskussion per se, der die Hoffnung auf eine grundsätzliche Modernisierung des archäologischen Business nicht mehr unbedingt ausschließt.

Isabella Waltriny


 
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